imPuls

Abschied vom Sommer

25. September 2020

Der Abschied vom Sommer kündigt sich an. Mit Wehmut sehe ich die gelben Blätter von den Bäumen fallen und denke an graue Herbsttage, die kommen werden. Ein wenig trauere ich den warmen Sommertagen hinterher. Aber es gibt einen kleinen Trostbaum in meinem Garten: ein Strauch, der mich jedes Jahr wieder verwundert. Es ist eine Zaubernuss. Zwischen den verfärbten Blättern leuchten im Herbst und manchmal sogar an kalten Wintertagen zarte gelbe Blüten. Die virginische Zaubernuss gehört zu den wenigen Arten, die in den kalten Monaten blühen. Als Heilmittel wird sie verwandt: blutstillend, entzündungshemmend. Mitten im Herbst kündigt sie den Frühling an und tröstet mir die Seele: das Aufblühen hat schon begonnen noch bevor die Blätter vom Baum gefallen sind.

Jedem Abschied wohnt ein Zauber inne, hat Herrmann Hesse gesagt, ein Neubeginn. Die Zaubernuss verkörpert diese Erkenntnis mit ganz eigenem Charme. Wir leben im ewigen Rhythmus von Verwelken und Aufblühen, Saat und Ernte. Sich diesem Rhythmus der Jahreszeiten anzuvertrauen heißt für mich: Ja, ich willige ein. Ich bin ein Teil dieser Schöpfung, die durch und durch geprägt ist vom Werden und Vergehen, Leben und Sterben. Aber ich vertraue darauf: meine Endlichkeit ist umborgen von Gottes Ewigkeit. Unser Loslassen hier auf der Erde wird zugleich ein Ankommen sein im Himmel.

Möge uns der Herbst mit seinem bunten Farbenspiel in diesen Zauber mit hineinnehmen und uns mit der kühlen Morgenluft die Hoffnung einatmen lassen, dass Gottes Segen beides umspannt: Einatmen und Ausatmen, Werden und Vergehen, Leben und Sterben. Und wieder aufblühen in seiner Ewigkeit.

Ihre

Christina Abel
Pastorin an St. Servatius