imPuls

Einkaufswagen

28. April 2021

Etwas ungelenk rangiere ich mit vollgepackten Taschen den Einkaufswagen und versuche eine galante Drehung, damit die Frau mir gegenüber ihn gleich in Fahrtrichtung übernehmen kann. Ein Kind trägt sie auf dem Arm, ein anderes zerrt an ihrer Hand, das dritte ist schon mal vorgelaufen. Ihre Kleider wirken abgetragen, die der Kinder auch. Ihr Aussehen verrät eine Herkunft außerhalb Europas. Die Übergabe ist fast perfekt, da kommt ein junger Mann, nimmt entschlossen den Einkaufswagen und sagt: „Danke, den kann ich ja gleich nehmen.“

Vollkommen perplex schauen wir uns an. Schockstarre. Warum habe ich meinen Mund nicht schnell genug aufbekommen? Mal wieder!

Pure Dreistigkeit? So in Eile, dass er blind ist für alles um ihn herum? Oder ist es gepflegter Alltagsrassismus, so ganz nebenbei?

„Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen.“ Monatsspruch und Motto für den Wonnemonat Mai!

Manchmal überrumpelt es einen aus dem Nichts. Ein nettes Gespräch, in das sich plötzlich fremdenfeindliche Sprüche hineinspinnen. Was dann? Drüber weghören? Einfach weiterreden? Die Sache schweigend übergehen? „Öffne deinen Mund!“ Vor Gott sind alle Menschen gleich. Auch im Alltag, sogar beim Einkaufen.

Immerhin schaffe ich es, ihr einen neuen Wagen aus der Reihe zu ziehen. Sie bedankt sich mit einem traurigen Lächeln. „So ist das“, sagt sie. Und ich denke: Das nächste Mal bin ich schneller.

Ihre
Christina Abel
Pastorin an St. Servatius