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Wisch und weg?

01. Oktober 2020

Wenn Probleme kommen, was macht man dann? Mein Smartphone empfiehlt: einfach wegwischen; die vielen Apps, die einen störungsfreien Handybetrieb behindern, also kurzerhand mit dem Finger packen und vom Bildschirm ins Nichts befördern. "Ihr Telefon läuft jetzt optimal", lobt mein Handy mich prompt danach. Und wer wird schon nicht gerne gelobt?

Solche einfachen Lösungen können natürlich verlockend sein, nicht nur am Handy, sondern im gesamten Leben.

Stören die Apps? Bitte mal eben wegwischen!       
Zu viele Bilder von Leid in den Nachrichten? Schnell umschalten!       
Mit anderen nicht einer Meinung sein? Fix das Thema wechseln!

So kommt man bestimmt bequem durchs Leben. Aber dabei verkennen wir ganz sicher auch, dass das Leben eben nicht immer bequem ist; dass es – anders als manch Handy – eben fast nie optimal läuft. Probleme sind oft unausweichlich. Und versucht man es doch, holen einen die meisten Sorgen ohnehin später wieder ein.

Warum also nicht viel öfter lieber den kniffligen Weg suchen, sich den Problemen stellen, sich ruhig mal mit anderen Meinungen auseinandersetzen? Niemand erwartet ja, dass wir dabei immer gleich die Lösung finden und schon gar nicht allein das Leid der Welt besiegen.

Den Wahrheiten ins Gesicht sehen, an den Aufgaben wachsen. Das sind nicht bloß schöne Redewendungen. Wer die Probleme des Lebens nicht einfach nur wegwischt, der steigert sogar seine Chancen, künftig weniger von ihnen (den Problemen) zu haben. Damit meine ich nicht, dass man einfach gegen die anderen anschreit, die für einen das Problem darstellen, sie schlicht übertönt. Die Kunst ist doch, das Leben mit all seinen Problemen auch zu ertragen. Sie über sich ergehen zu lassen – selbst, wenn sie manchmal unerträglich sind.

Mal ganz abgesehen von den persönlichen Herausforderungen gibt uns das Leben gerade genügend Extra-Aufgaben, mit denen wir uns auseinandersetzen können: Corona, Migration, Klimawandel - und nicht selten gehen die Meinungen dabei sehr auseinander, viele überfordert das auch. Doch wenn wir es wieder stärker schaffen, anderen zuzuhören, sich in andere Situationen hineinzuversetzen, Verständnis füreinander aufzubringen, andere Sichtweisen zu akzeptieren, dann sind die Probleme danach manchmal gar nicht mehr so groß wie vorher. Die Gemeinsamkeiten dafür umso mehr. Genau dann wenden wir nämlich Instrumente zur Problembewältigung an. Kluge Anwendungen. Sozusagen Apps fürs Leben. Und die sind wirklich viel zu schade, um sie einfach wegzuwischen.

Ihr

Jürgen Sczuplinski
Kirchenvorsteher an St. Servatius