Dies alles dürfte kaum nur "zufällig" sein. Wäre es nur "zufällig", wäre es eine gewaltige und bewegende Leistung des Unbewussten.
Das X hat mehrere Bedeutungen:
- als griechisches CH ist es der erste Buchstabe von Christus,
- als römisches Zahlzeichen der Zehn verweist es auf die zehn Gebote,
- als Märtyrerkreuz des Apostels Andreas erinnert es an dessen und an Jesu Martyrium,
- als kosmisches X mit dem Winkel von 23,5° markiert es den Schnittpunkt von Himmelsäquator und Tierkreis.
Hinzu kommen durch die Viergestalt des X die vielen Phänomene, die mit der Zahl Vier verbunden sind.
Das "X über der Marktstraße" verbindet zusammen mit den beiden Kirchen auch die beiden Teile, aus denen Duderstadt zusammengewachsen ist. Der östliche Stadtteil umfasste den Bereich um Rathaus und St. Cyriakuskirche, deren Patron ursprünglich vielleicht St. Martin - Schutzpatron der Franken - war, dessen Bild bis heute auf dem Schlussstein über dem Hochaltar von St. Cyriakus zu sehen ist. Der westliche Stadtteil wurde ursprünglich sehr wahrscheinlich durch einen sächsischen Königshof (zur Verwaltung der königlichen Güter) geprägt, der dann an das Stift Quedlinburg verschenkt wurde. Bereits die Hofkapelle, die als ein Vorgängerbau der heutigen St. Servatiuskirche gelten kann, wurde wohl in Anlehnung an das Stift St. Servatius in Quedlinburg dem im vierten Jahrhundert im belgischen Tongern residierenden und im niederländischen Maastricht bestatteten Bischof Servatius geweiht.
Die Südverschiebung des Turmes von St. Servatius ist auch im Inneren der Kirche deutlich zu erkennen. Denn neben der Mittelschiffachse mit den Gewölbeschlusssteinen gibt es dort die um einen Schritt nach Süden versetzte Mittelgangachse. Diese Doppelung der Achsen verunsichert, weil sie die Mitte des Kirchenraums relativiert. Sie erinnert von daher einmal mehr daran, dass alle Anschauungen des Menschen relativ sind, standortbezogen. Wo genau die "Mitte" des Ganzen (und damit des Einzelnen) ist und was die Welt im Innersten zusammenhält, weiß niemand. Diesbezüglich kann es nur Glauben geben. Glauben, der um die Grenzen allen Wissens und Könnens weiß.
Text: Dr. Karl Wurm / Zeichnungen: Susanne Wurm